68 bis 90 Prozent der Frauen mit Behinderung erfahren in ihrem Erwachsenenleben psychische Gewalt, im Vergleich zu 45 % beim weiblichen Bevölkerungsdurchschnitt [Angaben hierfür nachfolgend in Klammern]. 58 bis 75 % [35 %] der erwachsenen Frauen mit Behinderung waren bereits körperlicher Gewalt ausgesetzt, und 21 bis 43% [13%] wurden als Erwachsene Opfer sexueller Gewalt. Diese Angaben stammen aus einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2012 in Auftrag gegebenen Studie, und es ist anzunehmen, dass sie noch immer aktuell sind.
Angesichts dieser Zahlen sah der Gesetzgeber einen dringenden Handlungsbedarf, und nahm im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) eine Änderung des SGB IX vor, in der ab dem 1. Januar 2017 die Einsetzung von Frauenbeauftragten in Werkstätten für Menschen mit Behinderung gesetzlich vorgeschrieben ist; die Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) spezifiziert deren Rolle.
Die Frauenbeauftragten sind selbst Beschäftigte, ihrem kollegialen Arbeitsumfeld somit bekannt und vertraut. Das soll es betroffenen Frauen möglichst leicht machen, sich Hilfe zu suchen.
Neben der Hilfe bei Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz, beschäftigen sie sich mit den Themen „Gleichstellung von Mann und Frau“ und „Vereinbarkeit von Arbeit und Familie“. Sie werden in Schulungen dementsprechend qualifiziert, und erhalten zudem die Unterstützung durch eine vom Betrieb ernannte Vertrauensperson, die auch als Schnittstelle fungiert.
Die Frauenbeauftragten werden alle vier Jahre zusammen mit dem Werkstattrat gewählt, wobei alle weiblichen Beschäftigten sowohl wählen als auch gewählt werden können. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Position einer hauptamtlich tätigen Frauenbeauftragten pro Betrieb und Stellvertreterinnen, deren Anzahl von der Zahl der Wahlberechtigten abhängig ist.
Zurzeit gibt es in der HWK durch den Weggang der Kollegin keine vorsitzende Frauenbeauftragte, doch haben die drei Stellvertreterinnen Nadine Brezing, Tanja Brömser und Jennifer Kappel die Aufgaben und Zuständigkeiten untereinander so organisiert, dass sie die Arbeitsleistung einer hauptamtlichen Frauenbeauftragten bis zur nächsten Wahl sicherstellen können. Als Vertrauensperson ist Silja Stiefel eingesetzt. Sie übernimmt u.a. organisatorische Aufgaben, begleitet die drei bei Veranstaltungen, Schulungen und Sprechstunden und bespricht mit ihnen in monatlichen Treffen aktuelle Themen.
Nadine Brezing, Tanja Brömser und Jennifer Kappel sind nur drei von vielen engagierten Frauenbeauftragten, die in über 730 WfbM deutschlandweit die Interessen von mehr als 130.000 Frauen vertreten. Organisiert sind sie über das Bundes-Netzwerk der Frauen-Beauftragten in Einrichtungen Starke.Frauen.Machen. e.V..
Dass es sie gibt, ist gut und richtig. Dass es sie geben muss, der traurigen Realität geschuldet.
Foto: Lebenshilfe/David Maurer